Jeder kennt das Scheinbild des klassischen Künstlers, der leise und allein in seinem Atelier (wenn er Glück hat) seine Werke produziert. Dazu gehört auch üblicherweise eine Tüte Armut. Zu tausenden bewerben sie sich bei Kunstschulen, Galerien und Agenturen, wo jeweils höchstens fünf Prozent angenommen werden. Der Markt ist überflutet und die Marktteilnehmer leiden.
Es gibt aber reichlich weitere Gründe weshalb der Künstler kein Erfolg hat. Möglicherweise produziert er nicht genügend Werke, diese nicht ausreichend regelmässig, zuverlässig, oder er ist gar zu radikal um von einem grossräumigen Publikum gefördert zu werden. Obwohl diese Mängel sehr verbreitet sind, lassen sich die Schicksale der breiten Künstlermasse so noch nicht erklären, denn der Kunstmarkt bietet doch auch eine grosse Anzahl Teilnehmer, welche diesen Ansprüchen nachkommen.
Das Defizit der Anbieter ist viel grundlegender, nämlich handelt es sich dabei um dessen fehlenden ökonomisches Verhalten. Da ich selbst Berufsfotograf bin, erläutere ich das Problem, sowie Ansätze zur Lösung mit Praxisbeispielen aus diesem Berufsfeld.
Die Fotografenpersönlichkeit als Problem
Traditionell sind Fotografen wie die meisten Künstler tendentiell introvertiert, das heisst sie kommunizieren höchstens mit ihren eigentlichen Konkurrenten. Besonders bei den immer weiter verbreiteten Autodidakten und Quereinsteigern herrscht starke Unsicherheit, was zusätzliche Hemmungen bei deren Vermarktung zur Folge hat. Aus diesem Grund wird äusserst selten Werbung geschaltet, und zwar gilt dies ganz allgemein. Konsequenz dessen ist dass sehr viele Fotografen, höchstens in nächster Bekanntschaft und abgesehen von deren Fähigkeiten, als Hobbyfotografen anerkannt werden. So bekommt keiner richtige Aufträge, und wenn er doch zu welchen kommt sind diese zu familiären Konditionen, mit entsprechend tiefer entlöhnung.
Problembekämpfung mit modernen Mitteln
Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man sich in diesem Markt durchsetzen kann. Visitenkarten, Webseite, Social Media, Branding und so weiter sind die Grundbausteine des heutigen Fotografengeschäfts. In der Welt der Fotografie erweist sich aber heute ein Mittel als alleskönner: Content Marketing.
Ganz schlicht kann der Fotograf Bilder produzieren und veröffentlichen. Dies kann er und soll er unbedingt machen, auch wenn er im Moment keine Aufträge hat. So hat er die Möglichkeit, mit regelmässigen Beiträgen erstens aktiv zu erscheinen, und zweitens gleich seine Kunden zu lenken. Mit einem Blog hat der Fotograf zudem die Option, interessante Themen seiner Branche, sowie seiner Tätigkeit aufzugreifen und zu teilen.
Wie es die grossen machen
Bekanntestes Beispiel ist David Hobby, mit seinem Blog, Strobist. David ist ein einzelner Fotograf, der mit gerade dem genannten Vorgehen einer der bekanntestenFotografen dieser Zeit geworden ist. Seine Posts reichen von einfachen Ergebnissen eines Auftrags oder Reviews eines Fotoprodukts, bis hin zu langen Texten, in denen akribisch erklärt wird, wie ein bestimmtes Stilmittel reproduziert und eingesetzt werden kann. Neben zusätzlichen und exklusiveren Kunden, nimmt Hobby durch Werbung, welche auf seinem Blog geschaltet wird noch mehr Geld ein. Auf Google Plus haben ihn 450’000 hinzugefügt und sein Blog wird im Schnitt 100’000 mal täglich besichtigt. Weiter ist Hobby unter dem Namen Strobist mehr als nur ein Brand geworden, sondern hat er es geschafft, dass dies heute als die übliche Bezeichnung eines Fotografen, der mit Blitzlicht arbeitet gilt.
Ähnlich wie David Hobby hat Chase Jarvis, ein Werbefotograf aus Seattle, ein Blog zur Fotografie, der aber ein weiteres Verbreitungsmittel einsetzt, nämlich Chase Jarvis Live, wo er in Live-Sendungen mit namhaften Persönlichkeiten über diverse inspirative Themen zur Fotografie spricht.
Eine weitere Möglichkeit haben die beiden US-Fotografen Lee Morris und Patrick Hall entdeckt. Sie sammeln die besten Beiträge betreffend Fotografie und Videografie im Internet und verbreiten diese zusätzlich auf ihrem Blog, FStoppers, der nach knapp zwei Jahren bereits mehr als 115’000 Facebook Likes hat. In dieser kurzen Zeit ist das Team von 2 auf 23 angewachsen und sie erhalten regelmässige Exklusivrechte bei Produktetests und ähnlichem.
Als letztes Beispiel will ich Jasmine Star nennen, Jasmine ist eine Hochzeitsfotografin aus Kalifornien. In der Hochzeitsfotografie gilt es, ein vertrautes Verhältnis mit seinen Kunden aufzubauen. Dies erreicht Jasmine mit ihrem Blog, wo sie die Liebesgeschichten aller Paare, wie auch die Bilder, die sie vom jeweiligen Paar gemacht hat, vorzeigt. Star hat über 67’000 Facebook Likes. Ihr Tagessatz ist über $8000 und sie hat trotzdem das ganze Jahr durch jedes Wochenende eine Hochzeit.
Wenn sich der Fotograf also vornimmt, mit Social Media ein Image aufzubauen, Kunden anzulocken und Conversions einzuholen, dann schafft er es auch.
Louis Rafael Rosenthal ist Student am Institut für Publizistik-, Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Zürich. Neben seinem Studium arbeitet er als freiberuflicher Fotograf.
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