Das Rezept von Social Media ist, glauben wir Richard Lawson, nicht schwierig zu verstehen: „The way the world works, you are either cool and have 600 Facebook friends, or you are worthless and only have 40.” Will man also dazugehören, dann baut man sein Netzwerk an Freunden aus, so lautet seine Devise. Interessant ist, dass dieses Prinzip nun auch immer mehr auf andere Ebenen übergreift. So etwa erschaffen sich Unternehmen, die den Schritt ins Social Media wagen wollen, eine Facebook-Seite, wobei unausweichlich die Frage aufkommt, wie viele Likes sie generieren können und ob sie sich gegen ihre Konkurrenz zu behaupten wissen. Patricio Robles fasst in seinem Artikel die Ergebnisse zusammen, die Gartner in ihrer Studie zur Anzahl gefälschter Beurteilungen durch Medien berechnet haben, und tatsächlich sprechen die Zahlen für sich: Bis 2014 sollen 15% aller Rezensionen nicht mehr authentisch sein. Grund dafür sieht Robles in den Social Media, die zum Kaufen von Anhängern geradezu einladen, da das Engagement nicht metrisch ausgedrückt werden kann. Doch lässt sich dieses Phänomen tatsächlich in der Medienrealität beobachten? Berichte, wie den in der Huffington Post, fassen die Konsequenzen von Online Feedback zusammen: Es wird berichtet, dass Autor RJ Ellory seine eigenen Werke mit Ruhmpreisungen versehen und Werke anderer Schreiber niedergeschmettert hat, indem er sich verschiedene Pseudonyme auf Amazon erstellt hat. Wo also bereits Autoren solche Mittel anwenden, stellt sich weiterhin die Frage, wie sich diese unlauteren Methoden auf den Bereich der Social Media auswirken und welchen Standpunkt Unternehmen einnehmen.
Beispiele: Spiegel TV-Reportage und die Anti-Equality Campaign
Spiegel TV-Reporter haben sich näher mit der Frage beschäftigt und dabei selbst das Experiment aufgestellt, wie sich das Kaufen von Anhängern auf den Status in den Social Media auswirkt. Spiegel TV greift die noch aktuelle Präsidentschaftswahl in den USA als Beispiel für das Erwerben falscher Fans auf, indem in der Reportage ausgeführt wird, wie Romneys Twitter-Account innerhalb kürzester Zeit 100’000 Followers erworben hat, wobei auch die Dimensionen des Anhängereinkaufs klarer messbar werden. Weiterhin nimmt Reporterin Anne-Sophie Hessler selbst am Experiment teil, indem sie sich als Unterstützer der Firma Grillfürst erwerben lässt. Während sich die Firma Grillfürst damit rechtfertigt, dass das Sammeln vermeintlicher Anhänger nur als Anfangsgrundlage zur Etablierung des Unternehmens dient, sucht Hessler Advokat Thomas Schwenker auf, der diese Methoden wie folgt beeurteilt: “Wenn man sagt, das ist so etwas wie eine positive Bewertung, dann wäre es natürlich verboten, weil der Verkauf von Bewertungen zur Schleichwerbung gehört und ein Wettbewerbsverstoss ist.” Wo aber zieht sich die Grenze zwischen Hilfe zum Aufbau einer Firma und der Anwendung von Schleichwerbung? Gerade weil die Social Media ein schwierig zu definierbarer juristischer Bereich sind, fällt es schwer, klare Richtlinien zu setzen. Stattdessen zeigt auch ein weiteres Beispiel, dass sich sowohl politische wie auch wirtschaftliche Auswirkungen auf die Erstellung gefälschter Rezensionen finden. Zack Ford berichtet auf thinkprogress.org davon, dass die Facebook-Seite der Washington Anti-Equality Campaign (zu Deutsch: eine Kampagne gegen die Akkeptanz Homosexueller mit dem Vorhaben die Durchsetzung des Referendums 74 zu verhindern) einen fragwürdigen Wachstum an Likes zu verzeichnen hat. Ford hat beobachtet, dass die Anzahl Anhänger im Zeitraum von zwei Tagen von 2,500 auf 10,000 gestiegen ist, wobei diese Zahl, nicht wie zuerst vermutet durch amerikanische Zusager erklärt werden kann. Stattdessen zeigt die Statistik, dass vermeintliche Anhänger aus den Philippinen, Thailand, Deutschland und Litauen sogenannte “peaks” bewirkt haben. Obwohl Ford mit einem Urteil zurückhält, arbeitet er mit Grafiken um zu verdeutlichen, wie eine politische Kampagne auf Social Media falsche Likes generiert.
Konsequenzen?
Wie oben genannte Beispiele unterstreichen, sind Robles’ “Fake Reviews” tatsächlich auf Twitter und Facebook zu finden, was wiederum drängt zu ergründen, wie sich das denn nun auf die Medienrealität auswirkt. Spiegel TV-Reporterin Hessler hat dies selbst an ihrem Twitter-Account getestet und sich Followers eingekauft, musste danach jedoch feststellen, dass die meisten ihrer neuen vermeintlichen Fans aus den Vereinigten Staaten stammten und zudem nicht viel zur Gestaltung ihres Twitter-Benutzerkontos beitrugen. Obwohl sie neue Anhänger gefunden hatte, blieben die zumeist passiv, was auch Crikey-Journalist Patrick Stafford in seinem Artikel feststellt. Zu diesem Zweck fragte er GetWithSocial-Chef Mat Carpenter, welcher wiederum meinte, dass die eingekauften Anhänger auf den jeweiligen Facebook und Twitter-Seiten nicht die Kommunikation betreiben, die schlussendlich den gewünschten “value” (oder Wert) einbringt. Stafford schliesst daraus, dass
“The key word there is engagement. If someone visits your page and notices your high follower count, it won’t mean a thing if you don’t have many conversations happening on your page or feed. And it could be a clear sign you’ve bought your followers.”
Daraus lässt sich schliessen, dass Konsequenzen gemischt sein können, sich also einerseits positiv und andererseits auch negative auf die jeweilige Firma auswirken können.
Zugleich fragt Ilya Marritz in der NPR nach dem finanziellen Wert eines Facebook-Likes. Sie beruft sich auf Arthur J. O’Connor, der die 30 beliebtesten Marken auf Facebook in Bezug auf den täglich fluktuierenden Aktienkurs untersucht hat. Dabei entdeckte er, dass “the overwhelming majority of the change in a company’s stock price correlated with the Facebook likes that day or that period” – dass sich also die Popularität im Aktienmarkt wiederspiegelt in der Popularität in den Social Media. Diese Beispiele helfen dementsprechend zu verdeutlichen, welche Konsequenzen Gartners Prognose für die Social Media zum einen und die Authentizität von Marken zum anderen auf politische und wirtschaftliche Projekte haben würde.
Werden Massnahmen ergriffen?
Ende August 2012 hat sich nun schliesslich auf Facebook Security bezüglich dem Kauf vermeintlicher Likes zu Wort gemeldet. Um sicher zu stellen, dass die Likes auch als solche gedacht sind, hat Facebook nach genauerer Untersuchung weniger 1% aller Likes gelöscht. Wie in dem Blogpost geschrieben wird, baut Facebook auf die Authentizität ihrer Benutzer: “Facebook was built on the principle of real identity and we want this same authenticity to extend to Pages.” Ob das allerdings genug ist, um die gemäss Gartner steigenden Zahlen gefälschter Rezensionen zu decken, ist fragwürdig. So hat dann auch Yelp weitere Vorschläge vorgebracht, wie vermeintliche Likes entlarvt werden können. Wie Matt Brownell in der Daily Finance schreibt, sollen falsche Rezensionen auf Yelp künftig mit “public shaming” (zu Deutsch: öffentliches Blossstellen) verzeichnet werden. Falls ein Hotel oder Restaurant beim Erstellen gefälschter Reviews ertappt wird, so versieht Yelp dies mit einem Zeichen, das dem Benutzer für die folgenden 90 Tage verdeutlicht, dass dieses Unternehmen mit unlauteren Methoden der Rezensionserstellung gearbeitet hat. Myle Ott hat in diesem Rahmen in einer Studie für die Cornell Universität entdeckt, dass Algorithmen berechnet werden können, die falsche Reviews filtern. Aufgrund der Benutzung spezifischer Begriffe und Formulierungen wird somit erkannt, dass seine Rezension nicht authentisch ist.
Jenny Sussin, Verfasserin der Gartner-Studie, verrät zudem, dass Yelp weitere Strategien anwendet, um gegen die Erstellung vermeintlicher Rezensionen anzugehen. So stellt das System fest, sollte ein Benutzer bei der Registrierung gewisse Daten im Profil zurückhalten. Weiterhin kann durch die Rückverfolgung von IP-Adressen festgestellt werden, wer die Quelle der eingegebenen Rezension darstellt. Brownell schlussfolgert, dass obwohl diese Strategien hilfreich sind, es noch immer am einfachsten ist nachzuforschen, ob der Benutzer es auch tatsächlich ehrlich meint. Amazon etwa, so schreibt er, verleiht dem Rezensenten ein Label, falls dieser das rezensierte Produkt auch wirklich gekauft hat. Allerdings verweist er auch auf die Kehrseite des neu installierten Systems und stellt zurecht die Frage, was denn geschehen sollte, würde ein Unternehmen fälschlicherweise angeprangert werden. Die Antwort zu dieser Frage bleibt offen und unterstreicht die Schwierigkeit, Social Media als Begriff juristisch einzufassen.
Erfolgreiches Marketing in den Social Media?
Rückschliessend kann gesagt werden, dass die von Gartner vorausgesagten 15% gefälschter Reviews bis 2012 eine erschreckend hohe Zahl ist. Jedoch ist es äusserst einfach vermeintliche Anhänger zu finden, gerade weil etwa eine Suche auf Google viele Ergebnisse liefert und weil der geringe Kostenanteil, der dafür aufgebracht werden muss, gutgemacht wird durch eine anscheinend grössere Popularität des Unternehmens. Auch weil die Rolle der Social Media immer weiter zunimmt, ist dies für ein Unternehmen ein einfacher Schritt, um sich gegen die Konkurrenz behaupten zu können. Allerdings sind die Konsequenzen vielfach – von wirtschaftlichen über politische Dimensionen – und das Anwenden dieser Methode ein Verstoss gegen das nur vage im Internet geltende Gesetz. Der inoffizielle Facebook-Blog AllFacebook schliesslich betont, dass es sich nicht lohnt, Fans einzukaufen. Stattdessen werden Tipps gegeben, wie sich ein Unternehmen in Zukunft im Social Media Bereich behaupten kann, ohne dafür vermeintliche Anhänger einkaufen zu müssen:
- Facebook-Werbung
- Gewinnspiele und Verlosungen
- Discounts für Fans
- Eine “reveal page” (nur, wenn die Facebook-Seite ein Like erhält, kann der Benutzer mehr als diese Seite sehen)
- Grandiose Posts veröffentlichen
- “Viral apps” benutzen
- Deine Fans bitten, weitere Freunde einzuladen
- Die Fanseite promoten
Obwohl die Durchsetzung dieser Punkte definitiv mehr Zeitaufwand verlangt als das Kaufen gefälschter Fans, so bleibt beim Einsatz dieser Methoden die Authentizität des Unternehmens erhalten, was als ebenso wichtig erachtet werden sollte, wie die blosse Zahl, die bei der Erstbenutzung ins Auge sticht. Denn nur solches “Engagement” erzeugt auch “Engagement” beim Benutzer und gewährleistet, dass der Fan auch Fan bleibt, insbesondere bei einem Medium wie dem Internet, das von ständigem Wechsel geprägt ist.
„Dies ist ein studentischer Beitrag von Laura Dürmüller (@laudu90), den sie im Rahmen der Vorlesung “Online-Marketing” verfasst hat. Laura Dürmüller studiert Anglistik, Publizistik und Neuere Deutsche Literaturwissenschaft. Nebenbei arbeitet sie in einem Starbucks. In ihrer Freizeit verfolgt sie verschiedene Beschäftigungen.
Sehr interessantes Thema, das du mit guten Beispielen illustriert hast!
Es ist wirklich faszinierend zu sehen, wie viele Parallelen zwischen dem Etablieren unseres eigenen sozialen “Ansehens” und dem Ansehen einer Firma in sozialen Netzwerken bestehen, und mit welchen Massnahmen da getrickst wird.
Ein sehr spannender Artikel. Liest sich wirklich sehr gut.
Ich unterstütze die Meinung, dass es sich nicht lohnt, Fans resp. Likes einzukaufen. Wie du erwähnt hast, fehlen ja dann die ganzen Interaktionen zwischen Firma und Kunden.
Was die Aussage von Facebook betrifft, fragt sich wie sehr man dieser Glauben schenken kann.
Sie wollen zwar die Fake-Likes bekämpfen, aber gleichzeitig sehen sie als Gegenmassnahmen Aktionen vor, an denen sie selber wieder verdienen.
Über ihre noblen Absichten lässt sich also streiten.
Ein sehr guter und interessanter Blog, der zum Nachdenken anregt.
Es ist schon schlimm, wie man heutzutage im Internet alles fälschen kann. Ich finde “public shaming” eine gute Massnahme um gegen gefälschte Likes vorzugehen. Die Profile solcher Lügner könnten auch ganz gelöscht oder gesperrt werden, sodass sie eine neue Seite mit viel Engagement und richtigen Likes aufbauen müssten.
Cooles Post !
Die Beispiele sind wirklich cool 🙂
Das wichtigste ist ja nicht der Anzahl von Freunden aber die Interaktion….
Sehr ausführlich und informativ! Besonders gefällt mir, dass Du nicht nur auf die Nachteile der gekauften Likes hinweist, sondern dass Du auch Alternativen aufzeigst.