Social Media Graubereich: Wer kauft likes, und wieso?

Die Wichtigkeit von Facebook, Twitter und anderer neuen sozialen Netzwerken nimmt laufend zu. Unglaublicherweise kann man heute sogar „likes“ auf Facebook, oder „followers“ für den Twitter kaufen: Unter get-likes.com/ kann man beispielsweise auf  „Facebook likes store“ klicken und wählen, ob man „likes for fanpage“, „likes for status“, „likes for photo“ usw. kaufen möchte. So kann man für 17.99 USD 500 „actual Facebook Likes“ erstehen. Wenn man bereit ist,  $879.99 auszugeben, kauft man 60 000 Likes und die Botschaft lautet „All fans are Real Facebook Users“.

Beim Twitter ist die Idee die gleiche. Man kann unter „intertwitter.com“ followers kaufen. Man kann sogar die Kommentare der Kunden lesen: „Buying followers offers a head start to anyone beginning their journey in brand building. Intertwitter is a professional and reliable resource that I used for my new online boutique “ von Jessica @ ByBy Studio. Aber dann stellt man sich die Frage, ob dieser Kommentar nicht auch erkauft wurde? Oder verfälscht? Existiert diese Jessica überhaupt?

Die „Sozialen Netzwerke“ liegen teilweise an die Grenze der Pseudo-Realität, etwa wenn ich wunderschöne Photos von meinen Ferien oder von mir hochlade um „cool“  zu erscheinen.  Jetzt ist man noch einen Schritt weiter: Man kann sich die Gefolgschaft und  sogar die „ likes“ kaufen. Aber warum würde jemand Geld dafür ausgeben? Die Idee dahinter ist in erster Linie, ein zielgerichtetes Werbeimage für Produkte oder Unternehmen bei einem bestimmten Publikum aufzubauen. Die Kommentare auf get-likes.com/ lauten deshalb sinngemäss etwa wie folgt: „We’ve got a lot of active fans who like our business page. Our sales continue to rise every day“. D. h., durch die vielen Followers und likes wird ein neues Unternehmer schneller populär, „initially the “sense” that something is popular will itself drive some engagement“, sagt Ryan Skinner (http://econsultancy.com/ch/blog/10697-yes-you-can-buy-a-like-and-you-just-might-want-to)-. Hauptziel wäre es, den neuen Unternehmen einen „push“ zu geben, damit diese schon populär erscheinen, obwohl sie de-facto weitgehend unbekannt sind.

Michelle Goodal behauptet, man könne das PTA und die „engagement rates“ überprüfen um festzustellen, ob die „likes“ gekauft wurden oder nicht. Die Schwierigkeit besteht  darin, dass die Mehrheit der Facebooknutzer nicht weiss, wie dies gemacht werden muss. (Ehrlich gesagt, weiss ich selber auch nicht, wie das funktioniert).

Tony Thor, chief executive officer of Social Brawn behauptet, das Kaufen von Followers sei sinnlos. Er meint, dass fast alle Profile ohnehin geschönt und damit “fake” seien und dass „page owners who’d bought fans and not a single buyer got any increase in sales nor engagement after the purchase“ (http://allfacebook.com/should-you-buy-facebook-fans-maybe-not_b48854).

Likes und Followers zu kaufen heisst, dass der Unternehmer nicht zuversichtlich genug  ist, um die Marke  organisch aufzubauen. Andy Killworth (Digital Marketing Executive at Koozai) behauptete: „Bought Twitter followers are blatantly obvious and in any case never hang around long – it’s cheap to do and looks cheap“.  (http://econsultancy.com/ch/blog/10697-yes-you-can-buy-a-like-and-you-just-might-want-to)

Martin Hines, ein Journalist des London College of Communication, schrieb eine giftige Anmerkung in seinem Blog mit dem folgenden Titel: „Who needs reality, when you’ve got twitter?“ und sagte weiter „How can you associate any real sense of worth to you, or your product when you’re basically admitting that you’re not good enough for reality?“ (http://martinhines.wordpress.com/2012/07/08/who-needs-reality-when-youve-got-twitter/)

Damit  stellt man sich die Frage, ob das Kaufen von „likes“ und „followers“, objektiv gesehen, wirtschaftlich Sinn macht. Dazu gibt es leider keine wissenschaftlich anerkannte Untersuchung. „Do you want your business to appear successful or actually be successful?“ fragt sich Tony Thor, chief executive officer of Social Brawn (http://allfacebook.com/should-you-buy-facebook-fans-maybe-not_b48854). Er glaubt hiermit, die Frage schlüssig beantwortet zu haben: wohl nicht.

Dass sich solch ein Markt überhaupt entwickeln konnte, hängt mit unserer kulturell bedingten Überbewertung der „Zahlen“ im allgemeinen zusammen. Was ich hiermit meine ist, dass wir im heutigen Zeitalter alles, aber wirklich alles in Zahlen ausdrücken wollen. Die Intelligenz etwa lässt sich doch nicht wirklich numerisch in einer einzigen Zahl erfassen. Der höchste Berg, der reichste Mann und eben auch das meistgesehene YouTube – Clip, all das wird in Zahlen ausgedrückt. Die Zahlen geben uns immer eine wichtige, wenn auch stark reduzierte Information. Hohe Zahlen erwecken unsere Neugierde, etwa wenn wir lesen, dass das YouTube – Clip „Gangnam Style“ eine Mrd. (1.000 Millionen) mal runtergeladen wurde, kommen wir nicht daran vorbei, es auch herunterzuladen. Hohe Zahlen faszinieren uns. Wenn wir nach der Eingabe eines Musikernamens die You Tube Page öffnen, werden wir automatisch die Clips mit der höchsten Zuschauerzahl zuerst öffnen. Marketingmässig wird diese menschliche Eigenschaft ausgenutzt. Etwa wenn wir lesen: „der meistgesehen Film des Jahres“, „der meistgesehene Film aller Zeiten“, „der meistverkaufte Wagen“, usw., als ob dieses ein Synonym für hohe Qualität wäre.  Glücklicherweise haben die Menschen eine andere zusätzliche Eigenschaft, nämlich das kritische Verständnis. Insbesondere wenn wir uns von den hohen Zahlen haben beeinflussen lassen und unsere Erwartung dementsprechend hoch ansetzten, sind wir meist stark enttäuscht , wenn das erwartete Gefühlserlebnis nicht eintritt und die Qualitätsmerkmale  nicht vorhanden sind.

Wahrscheinlich ist es so, dass doch viele Internetfans sich durch eine hohe Zahl an followers beeinflussen lassen, und  die Page mit den gekauften followers vor den weniger besuchten öffnen. Wenn der Inhalt den hohen Erwartungen entspricht, hat der Kauf der followers sein Ziel erfüllt, nämlich diese Page vor den weniger gesehenen geöffnet zu werden. Voraussichlich schaffen es aber die Pages der meisten „Followerkäufer“ nicht, dem Erwartungsniveau zu entsprechen, der Besucher fühlt sich betrogen und kehrt nie mehr zurück.

Wenn der Kauf von followers einen beschränkten positiver Effekt auf die Geschäftsergebnisse hat, stellt sich immer noch die ethische Frage: die eventuellen Kunden werden schon bei der ersten Kontaktnahme belogen. Das ist eine höchst ungesunde Geschäftspolitik.

 

Dies ist ein studentischer Beitrag von Julia Rahal Steiner (@juliarsteiner), den sie im Rahmen der VL „Online-Marketing“ verfasst hat. Sie studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaften im Hauptfach und Filmwissenschaft im Nebenfach.

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